@Verali

Vera Linß, Moderatorin und Journalistin

Peinlicher Furor eines Enttäuschten

Rezension

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Download (verlinkte Audio-Quelle: Deutschlandradio Kultur, 20.08.2013)

 

Hier lässt jemand seinem Frust freien Lauf und sieht dabei nicht gut aus: Johannes Braun, früherer Mitarbeiter der saarländischen Piratenfraktion, rechnet wichtigtuerisch mit den Ex-Kollegen ab. Sein Motto: Die sind doch eh alle internetsüchtig und verlogen.

Glaubt man Meinungsumfragen, dürfte der spektakuläre Aufstieg der Piratenpartei zur Bundestagswahl im September beendet sein. Denn um die politische Zukunft der Netzaktiven ist es offenbar schlecht bestellt: Berichte über die Zerstrittenheit unter den Mitgliedern, Parteiaustritte und Profillosigkeit prägen das öffentliche Bild der Politiknewcomer.

Und als wäre das nicht schon genug, holt nun auch noch Johannes Braun, Ex-Mitarbeiter der Piratenfraktion im Saarländischen Landtag, zum großen Schlag aus und rechnet auf knapp 200 Seiten mit seiner Partei ab. Statt überfälliger, sachlicher Analyse also noch ein Nagel am Sarg der Piraten, deren politisches Ende sich der enttäuschte Braun sehnlichst herbeiwünscht.

Der Frust des jungen Politikwissenschaftlers ist riesengroß. Ein knappes Jahr lang hat er aus nächster Nähe den Politalltag der Piraten verfolgt und miterlebt, dass die so gar nichts von dem einhalten, was sie versprochen hatten – nämlich eine frische, gerechtere Politik, an der jeder teilhaben kann. Wer die Piraten wirklich sind – darüber möchte er auch etablierte Politiker aufklären, die nach der Lektüre bereit seien „für eine kompetente Antwort“. Davon ist Johannes Braun zumindest überzeugt. Doch das ist – bei allem Verständnis für seine Enttäuschung – leider nur einer von vielen Lachern, die dieses Buch hervorruft.

Was der Ex-Sympathisant da zusammengeschrieben hat, ist eine Mischung aus Erfahrungsbericht, vermeintlichen Enthüllungen und dem Versuch tiefgründiger Analyse. Was aber leider komplett nach hinten losgeht. Auf weite Strecken ist das Buch einfach nur lächerlich. Wichtigtuerisch, anbiedernd, larmoyant und ohne jede Hemmung führt er den „lieben Leser“ durch alle Piraten-Klischees und bietet dabei wenig Neues.

Das Buch ruft viele Lacher hervor

„Politisch ahnungslos, totalitär, verfassungsfeindlich“ lautet etwa seine undifferenzierte Interpretation der Transparenz- und Mitbestimmungsideen der Piraten, die er mit Schilderungen aus dem bereits hinlänglich öffentlich gemachten Innenleben der Partei untermauert. Auch der allseits bekannten Kritik an den rüden Umgangsformen unter den Piraten kann er nur seine Empörung hinzufügen.

Geradezu putzig ist, wie er das große „traurige Geheimnis“ der Piraten lüftet: In Wirklichkeit seien die nämlich alle internetsüchtig und nur in die Politik gegangen, um durchzusetzen, dass der Staat Internetsucht mit Steuermitteln fördert. À la Hirnforscher Manfred Spitzer, dessen Buch „Digitale Demenz“ die Bestsellerlisten stürmte, fordert er „mehr Therapieangebote“ und „weniger Internet“.

Dabei steht außer Frage, dass viele Punkte, die Johannes Braun anspricht, tatsächlich diskutiert werden müssen. Wie viel „Piratiges“ verträgt und verbessert unsere Demokratie? Doch um Antworten geht es Braun nicht. In seiner Besessenheit lässt er nur seinem Frust freien Lauf. Selbst die nützliche Idee, einzelne Bundestagskandidaten einem Check zu unterziehen, scheitert an seiner Selbstgerechtigkeit. Das alles bewegt sich auf flachstem Stammtischniveau – zumal Braun willkürlich und ohne jede Recherche über einzelne Namen hinwegfegt. Eine rundum enttäuschende Lektüre, die nur einen Wunsch hinterlässt: Möge sich endlich ein Autor konstruktiv mit den Piraten auseinandersetzen.

Johannes Braun: „Digital naiv – Warum die Piraten weder etwas von Politik noch vom Internet verstehen“, Orell Füssli, Zürich 2013, 192 Seiten

 

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