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Vera Linß, Moderatorin und Journalistin

Buch-Tipp: Filter. Digitale Bildkulturen | Berit Glanz

Vera Linß im radioeins-Studio | Foto: © Jörg Wagner

Filter. Digitale Bildkulturen
Von Berit Glanz
80 Seiten, 12,00 Euro (Broschiert)/ 9,99 Euro (E-Book)
Wagenbach, Berlin 2023
ISBN: 978-3-8031-3728-9

Wer:
* Vera Linß, freie Medienjournalistin
* Jörg Wagner (Moderation)
* Jan Böhmermann, ZDF, ZDF Magazin Royal, 28.04.2023
Was: Studiogespräch, Rezension
Wann: 27.05.2023, 18:27 Uhr/ 28.05.2023, 09:20/13:20 Uhr
Wo: rbb; radioeins, rbb24 Inforadio in einer gekürzten Fassung

Bildervielfalt mit Schattenseiten
Durch digitale Filter ist die Bearbeitung von Fotos zum Mainstream geworden. Um ihr Potential voll auszuschöpfen, müssen die Filter aber besser kuratiert werden, mahnt die Literaturwissenschaftlerin Berit Glanz.

Vor wenigen Wochen sorgte der Run auf „Bold Glamour“ für Aufregung. Mit dem Schönheitsfilter kann man auf dem Videoportal TikTok sein Gesicht „optimieren“. Volle Lippen, glatte Haut, breite Wimpern – all das wirkt dank einer KI besonders echt. Umso größer die Sorge: Schadet das Filtern von Bildern dem Selbstwertgefühl? Wie beeinträchtigt die millionenfache Verfremdung die Wahrnehmung der Realität? Noch ist es für Bewertungen zu früh, konstatiert die Literaturwissenschaftlerin Berit Glanz. Zeigt aber gleichzeitig: Digitale Filter sind trotz aller Bedenken zur alltäglichen Kulturpraxis geworden – und das in rasend kurzer Zeit!

Möglich wurde dieser Siegeszug mit der Erfindung von Smartphones vor über fünfzehn Jahren, die einen Touchscreen hatten und es auch dem Laien erlaubten, Bilder zu bearbeiten – was ganz offensichtlich einen Nerv traf! Sachkundig und mit vielen Beispielen schildert Berit Glanz die technische Entwicklung, die dann ihren Lauf nahm: von einfachen Filtern, mit denen man schlechte Aufnahmen nur optisch verbessern konnte, hin zu KI-gestützten Apps, die die Bilder inzwischen komplett verändern.

Legendär in den Anfängen die App Hipstamatic, wie auch der Instagram-Filter – beide gaben digitalen Fotos die Anmutung von Analogem, etwa durch den Retro-Look oder das quadratische Bildformat. Später dann populär: Katzenohren- und Katzenkopffilter. Mittels Augmented Realty wurden hier Graphiken dem Original hinzugefügt. Ein weiterer Trend: Videoanimationen. Aus statischen Bildern wurden Straßen, die sich zu Wasserflächen verflüssigen, Gebäude, die an Science-Fiction erinnern oder ein „I feel good“ singender Arthur Schopenhauer – ermöglicht durch die App Wombo.

Welches aber war die Killerapplikation, die für den Durchbruch der Filterkultur gesorgt hat? Erhellend, wie Berit Glanz hier die Dynamiken hinter den Bildern analysiert. Die wären nämlich nichts Besonderes ohne den Austausch im sozialen Netzwerk, was erstmals Instagram möglich machte. Erst das gemeinsame, kostenlose Anschauen habe die Filterfunktion im kulturellen Bewusstsein verankert. Und den Weg frei gemacht für neue Geschäftsmodelle. Influencerinnen etwa entwickeln seit einiger Zeit standardisierte Anwendungen für einzelne Filter-Apps, die sich massenhaft verkaufen. Urlaubsbilder lassen sich damit in einen „Orange/Türkis-Look“ tauchen. Mutterschaftsinfluencerinnen dagegen werben für warme Farben ohne Blautöne.

Beeindruckend, welch große Bildervielfalt durch digitale Filter entstanden ist! Doch auch die Schattenseiten sind nicht zu übersehen. Die Kommerzialisierung durch die sozialen Netzwerke führe regelmäßig zu einer ästhetischen Normierung, kritisiert Glanz. Auch wenn es dazu noch weiterer Wirkungsforschung bedarf, für sie steht jetzt schon fest: Die Hersteller der Apps müssen mehr soziales Verantwortungsbewusstsein zeigen. Denn auch rassistische und frauenfeindliche Stereotype würden immer wieder transportiert. Und auf diese Weise, so zeigt Berit Glanz in ihrem klugen Buch, „neue Bilder mit alten Verzerrungen“ verbreiten.

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