@Verali

Vera Linß, Moderatorin und Journalistin

Buch-Tipp: Die große Illusion: Ein Schloss, eine Fassade und ein Traum von Preußen | Hans von Trotha

Vera Linß | Foto: © Jörg Wagner

Vera Linß | Foto: © Jörg Wagner

Die große Illusion: Ein Schloss, eine Fassade und ein Traum von Preußen
Von Hans von Trotha
140 Seiten | 16,00 Euro
Verlag: Berenberg Verlag GmbH
ISBN-13: 978-3946334927
Erscheinungstag: 18.05.2021

Kaum ein Bauprojekt in der jüngeren Geschichte Berlins dürfte umstrittener sein als der Neubau des Stadtschlosses Unter den Linden. Kaum aber auch eines dürfte in sich widersprüchlicher sein: Nach außen repräsentiert die rekonstruierte Schlossfassade den Geist der Monarchie. Der Innenbereich aber – das Humboldt Forum – soll in die Zukunft weisen und ein weltoffener Ort für Kultur und Wissenschaft, für Austausch und Debatten werden. Doch kann das aufgehen? Wie lässt sich dieser Widerspruch zwischen innen und außen in der Praxis auflösen? Zuallererst mit einem Blick auf die Entstehungsgeschichte des Neubaus, mahnt der Historiker und Journalist Hans von Trotha. In seinem Buch „Die große Illusion. Ein Schloss, eine Fassade und ein Traum von Preußen“ rekapituliert er die jahrzehntelangen Kontroversen rund um das Prestigeprojekt.

Wer:
* Vera Linß, freie Medienjournalistin
* Hans von Trotha, Journalist, Historiker
Was: Beitrag
Wann: 26.05.2021
Wo: mdr kultur

Eigentlich scheint es zu spät zu sein für dieses Buch. Die Schloss-Attrappe steht, die Schlachten sind geschlagen, das Kind – so könnte man Hans von Trothas Enttäuschung über das Bau-Projekt zusammenfassen – in den Brunnen gefallen. Warum also noch weiter darüber reden? Hans von Trotha.

01_O-Ton Hans von Trotha

„Eine Fassade wie diese verändert die Stadt. Und eine Fassade erzählt in der Regel ihre Geschichte nicht, sondern die muss man mühsam herauslesen oder kennen. Und in diesem Fall finde ich es besonders wichtig, dass man die Geschichte der Fassade kennt, weil die Fassade im Wesentlichen ein Denkmal ihrer Entstehung und ihrer Geschichte ist. Der Moment, in dem es fertig ist und man anfangen könnte, diese Vorgeschichte zu vergessen, das sollte man meiner Meinung nach nicht.“

Diese Vorgeschichte beschreibt und analysiert von Trotha in seinem Buch, das sich wie eine kritische Kommentierung verschiedenster Perspektiven liest, die rund um den Schloss-Neubau existieren. Da sind – zuallererst – die Argumente der Befürworter wie Joachim Fest oder Wolf Jobst Siedler, die sich gleich nach der Deutschen Einheit 1990 publizistisch für den Wiederaufbau ins Zeug legen. Da sind die abwägenden Debatten im Feuilleton und da ist die Gegenseite – die, wie von Trotha selbst, den Neubau für einen Fehler hält. Weil die Schloss-Rekonstruktion eins zu eins, ohne irgendeine Brechung, Vergangenheit manifestiere, sei das Wissen um diese Debatten besonders wichtig, meint von Trotha, der sich mit seinem Text ausschließlich auf die Fassade und nicht auf das Innere konzentriert, wie er immer wieder betont.

02_O-Ton Hans von Trotha

„Diese Trennung ist natürlich auch ein großes Problem, weil eine Spannung entsteht. Und in den vielen Vorbereitungsdiskussionen wurde dann immer gesagt: Ja, dieser Ort ist halt einerseits eine Geschichte des Kaiserreichs, andererseits aber auch ein Ort, an dem das Volk zusammenkommt. Jetzt ist es so: Die Fassade erzählt eigentlich nur die Geschichte des Kaiserreichs. Und das ist mein Punkt. In dieser Stadt spricht eine Fassade zu mir und zwar sehr, sehr laut, mit sehr, sehr klaren Botschaften.“

Botschaften, für die es in einer demokratischen Republik des 21. Jahrhunderts besser keinen Ort geben solle. Hier kommt seine Perspektive als Historiker und Philologe ins Spiel. Hans von Trotha betrachtet ein Bauwerk nämlich nicht kunsthistorisch. Für ihn ist entscheidend, welche Wirkung es auf eine Stadt und auf die Gesellschaft hat. Und das sei nun mal zuallererst die Aufforderung zum Blick in die Vergangenheit – auf ein Kaiserreich, das für Blut und Eisen stehe und für die Einigung Deutschlands von oben. Besonders fatal denn auch aus seiner Sicht: Dass auch die umstrittene Kuppel und das Kreuz Teil der Rekonstruktion wurden. Beides war ursprünglich während der Revolution 1848/49 installiert worden. Hans von Trotha.

03_O-Ton Hans von Trotha

„Die Kuppel erregt Widerstände bei Leuten, die das Gebäude näher kennen auch deswegen, weil sie eben kein profaner Bau war, sondern eine Kapelle, die als Krönung auf dieses Schloss gesetzt worden ist als Anspruch des Gottesgnadentum des Königs, der auch Oberhaupt der preußischen Staatskirche war. Dieses Gottesgnadentum Mitte des 19. Jahrhunderts zu behaupten, finde ich hochproblematisch und es kam auch ja prompt zur Revolution. Aber die Kuppel wurde fertig gebaut und das Kreuz wurde draufgesetzt.“

Auch wenn Hans von Trotha seinen Frust immer wieder rauslässt: Sein Buch überzeugt. Die profunde Sachkenntnis, wenn es um Architektur und Geschichte geht, die Vielzahl an Stimmen, mit denen er sich beschäftigt und die gesellschaftliche Einordnung sind ein echter Gewinn. Denn von Trotha zeigt auch, dass die Schloss-Befürworter sich einen Zeitgeist zunutze machen konnten, der von einer „Renationalisierung, einem neuen Nationalismus“ geprägt ist, wie er den Historiker Eckart Conze zitiert. Umso mehr setzt von Trotha auf die kommenden Generationen und lässt, bei aller Kritik, auch Hoffnung durchschimmern. Hoffnung auf einen produktiven Umgang mit dem Schloss-Neubau. Vielleicht könne sich ja durch eine kluge Aneignung der ganze Bau doch noch als richtig erweisen.

04_O-Ton Hans von Trotha

„Ja das hoffe ich natürlich. Auch dafür habe ich dieses Buch geschrieben. Da setze ich doch sehr auf die Phantasie von weltweit vernetzten, international denkenden, engagierten jungen Leuten, die alle möglichen Techniken und Mittel draufhaben und Erfindungen machen, die wir teilweise noch gar nicht kennen. Dass sie damit in einer kreativen Weise umgehen. Ich bin ja sehr hoffnungsvoll. Schließlich sind wir in Berlin.“

Kommentare sind deaktiviert.