@Verali

Vera Linß, Moderatorin und Journalistin

„Unsere Mission besteht darin, die Informationen der Welt zu organisieren und zugänglich zu machen.“

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Wer:
* Richard Gingras, Google-News-Chef
* Vera Linß, Medienjournalistin
Was: Interview über die Zukunft der Qualitätsmedien im Netz
Wann: rec.: 23.03.2015
Wo: Berlin, Google Deutschland, Unter den Linden
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Wie würden Sie das Ziel von Google News beschreiben? Ist es auch eine Art Verleger?
Nein, wir sind kein Verleger, auch wenn wir ganz offensichtlich Teil des Mediengeschäfts sind. Unsere Mission besteht darin, die Informationen der Welt zu organisieren und zugänglich zu machen. Wenn die Nutzer nach etwas Speziellem suchen oder einfach nur wissen wollen, was los ist, dann wollen wir sie mit den besten Quellen und einer breiten Auswahl von Quellen versorgen. Das war von Anfang unser Ziel. Google News wurde nach Nine Eleven erfunden, als einer unserer Ingenieure eine Geschichte nachvollziehen wollte. Er wollte aber nicht nur lesen, was die Medien aus New York oder aus den USA darüber berichtet haben, sondern die Medien aus der ganzen Welt. Genau das kommt unserer Mission nahe: Menschen mit dem besten Wissen zu versorgen.

Grundlage Ihrer Arbeit sind Inhalte, die von anderen Menschen, die von den Medien produziert werden. Und wie wir wissen, befinden sich die Medien in einer Krise, was die Finanzierung von Qualitätsinhalten betrifft. Macht Ihnen das Sorge?
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Natürlich beschäftigt uns das. Der Wert unserer Arbeit bei Google ist abhängig von einem reichhaltigen Ökosystem an Informationen. Aber offen gesagt: Wir sehen auch enorme Innovationen in den Medien – als Folge der Veränderung des Ökosystems, in dem wir uns befinden. Und viele Innovationen sind sehr erfolgreich. In Paris zum Beispiel gibt es die Website „Mediapart“. Sie wurde von einem der ehemaligen Chefredakteure der Zeitung „Le Monde“ gegründet. Die Website konzentriert sich komplett auf investigativen Journalismus. Wenn man die Inhalte lesen will, muss man dafür bezahlen. „Mediapart“ ist profitabel und beschäftigt 35 Journalisten. Ohne Frage unterstützt das Ökosystem Qualitätsjournalismus. Die Herausforderung für viele Verleger besteht darin herauszufinden, welche Produkte sie schaffen können, die da hinein passen. Wenn ein Produkt im Printzeitalter funktioniert hat, gilt das nicht automatisch für das neue Ökosystem. Das ist ein ganz anderes.

Welche Geschäftsmodelle werden in der Zukunft erfolgreich sein?
Ich erwarte dass wir – wie heute schon – das ganze Spektrum haben werden: Angebote, die man abonnieren muss, die durch Werbung oder die karitativ finanziert sind. Es ist wichtig, immer wieder daran zu erinnern, dass viele journalistische Unternehmen in der Vergangenheit aus dem Wunsch heraus geschaffen wurden, Einfluss auszuüben. In den USA waren viele Zeitungen im Besitz reicher Familien. Zum einen, weil sie Einfluss haben wollten, zum anderen, weil sie der Gemeinschaft etwas zurückgeben wollten. Ich denke, das alles werden wir auch in Zukunft erleben. Und es wird Mischformen geben, Angebote, die sich aus verschiedenen Quellen finanzieren.
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In der Offline-Welt hatten die Zeitungen eine Paywall, man musste für die Zeitung bezahlen. Wie wichtig sind Paywalls heute? Wie wichtig sind Paywalls für den Journalismus?
Ich denke, das hängt von der Art der Arbeit ab, die man macht. Es hängt vom Wesen des Produktes ab und welches Ziel man erreichen will. Für mich steht außer Frage, dass Bezahlschranken eine Schlüsselrolle in diesem Ökosystem einnehmen werden. Aber: Voraussetzung ist, dass der Verleger einen einzigartigen Wert präsentiert, für den die Nutzer bereit sind zu zahlen. Und – wie schon gesagt – wir sehen viele gute Beispiele. Aber man kann nicht einfach sagen: Ich berichte über Fußball hier in Deutschland. Würde dafür jemand Geld ausgeben? Vielleicht. Aber wie wir wissen, gibt es im Internet sehr viele Statistiken und Berichte über Fußball in Deutschland. Die Frage ist: Wie findet man die einzigartige Position, für die ich bereit bin zu bezahlen, weil es etwas Besonderes ist. So funktioniert der Markt.

Sind Sie optimistisch?
Ich bin generell optimistisch, was die Zukunft des Journalismus betrifft. Weil er in einer offenen Umgebung existiert. Ich komme aus den Vereinigten Staaten. Wir haben diesen ersten Zusatzartikel zu unserer Verfassung, der die Freiheit der Presse garantiert. Für mich ist das Internet die Verkörperung der Pressefreiheit. Daran können heute mehr Menschen als je zuvor teilhaben. Es gibt keine Gatekeeper, die mich daran hindern, meine Meinung zu äußern. Das ist eine sehr machtvolle Sache. Wir haben völlig neue Möglichkeiten. Nehmen Sie den Datenjournalismus. Er hilft uns, die Welt um uns herum zu verstehen und als Journalisten die Behörden zur Verantwortung zu ziehen. Tatsächlich würde ich sagen: das Ökosystem für den Journalismus ist das reichhaltigste, das wir jemals in der Geschichte der Zivilisation hatten – ohne Frage.

Wenn wir in die Zukunft schauen: In zehn Jahren – wie wird Google News dann aussehen?
Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Wir werden neue, andere Wege finden, das zu tun, was wir jetzt tun. Die Menschen konsumieren Informationen auf sehr unterschiedliche Weise. Wir werden weiter daran arbeiten, dass wir in diesem Ökosystem Menschen dabei helfen, anregende Informationsquellen zu finden. Wir werden unseren Algorithmus weiter entwickeln, einfach weil sich das Ökosystem weiter entwickelt. Ich würde es nicht wagen, vorherzusagen, was in zehn Jahren ist. Außer, dass es wesentlich anders sein wird, als heute.

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(Fotos: © Jörg Wagner)

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